«Wir stehen verdient dort, wo wir sind»
Der FC Basel spielte eine katastrophale Vorrunde. Drei Trainer manövrierten den Conference-League-Halbfinalisten der vergangenen Saison auf den vorletzten Platz in der aufgestockten Super League, hinzu kam das schmerzhafte Europacup-Aus gegen den kasachischen Vertreter Tobol Kostanai.
Fabian Frei, wenn Sie die Vorrunde mit einem Wort beschreiben müssten: Welches würden Sie wählen?
«Ohne zu fluchen?»
Das sei Ihnen an dieser Stelle freigestellt.
«Ich glaube ‹miserabel› fasst es ziemlich gut zusammen. Wir hatten drei Trainer, liegen auf dem elften Tabellenplatz, sind international früh ausgeschieden. Es hat nicht viel zusammengepasst.»
Können Sie der Hinrunde trotz aller negativer Aspekte auch Positives abgewinnen?
«Der Monat unter Fabio Celestini war positiv. Seit er übernommen hat, herrscht eine ganz andere Stimmung als noch vor ein paar Monaten. Wir haben einen Weg eingeschlagen, der meiner Meinung nach der richtige ist.»
Was macht Celestini anders als Timo Schultz und Heiko Vogel?
«Jeder Trainer hat seine Eigenheiten und seine eigene Philosophie. Fabio hat rein technisch oder taktisch nicht allzu viel verändert. Es ist vielmehr seine positive, motivierende Art, die sehr gut zu uns passt. Er ist Südländer, spricht viele Sprachen, ist mit Emotionen dabei. Das scheint die Mannschaft momentan zu brauchen.»
In den erfolgreichen 2000er-Jahren prägte Christian Gross den FC Basel. Unter seiner Führung wurde der Klub zum Serienmeister und glänzte auch in der Champions League. Noch heute reicht kein anderer Schweizer Klub an die Strahlkraft heran, die der FCB in Europa hat. Dazu beigetragen hat die letztjährige Conference-League-Kampagne. Äusserst unglücklich scheiterte die Mannschaft unter der damaligen Leitung von Heiko Vogel erst im Rückspiel des Halbfinals in der Verlängerung an der Fiorentina.
Im Frühling stand der FCB kurz vor dem Einzug in einen Europacup-Final, nun kämpft er um den Klassenerhalt. Was ist schief gelaufen im letzten halben Jahr?
«Es war sicherlich nicht nur ein einzelner falscher Entscheid, der uns dorthin gebracht hat, wo wir nun stehen. Die momentane Situation ist die Summe vieler Faktoren. Es gab innerhalb des Teams, aber auch im Verein viele Wechsel. Dass es eine gewisse Zeit braucht, bis alles ineinandergreift, war von vornherein klar.»
Angefangen hat der Sinkflug aber bereits in der vergangenen Saison – zumindest in der Meisterschaft. Wann haben Sie gemerkt, dass es in die falsche Richtung geht?
«Ich kann nicht ein Ereignis herausstreichen. Aber natürlich: Wenn du fünf Mal hintereinander nicht gewinnst, läuft etwas falsch. Letzte Saison haben wir zudem viele Punkte auf dumme Art und Weise verloren. Das war in dieser Vorrunde nicht der Fall. Wir stehen verdient dort, wo wir sind. Ich bin mir aber sicher, dass mehr in dieser Mannschaft steckt. Jetzt müssen Taten her.»
Wie nehmen Sie als Führungsspieler in solch schwierigen Situationen Einfluss auf die Mannschaft?
«Die Situation ist auch für mich neu, ich war mit dem FCB noch nie so weit hinten klassiert, zumindest nicht zu einem so späten Zeitpunkt der Meisterschaft. In St. Gallen und Mainz habe ich diesbezüglich jedoch Erfahrungen gesammelt. Ich kenne gewisse Automatismen, wenn man nicht ganz vorne steht. Und ich weiss auch, dass es relativ wenig braucht, damit es wieder aufwärts geht.»
Was muss in der Rückrunde besser werden?
«Wenn man die FCB-Fans fragen würde, würden sie wohl sagen: Es müssen mehr Tore her. Auch ich als Defensivspieler wünsche mir mehr Tore. Gleichzeitig möchte ich, dass wir die defensive Stabilität der letzten Spiele beibehalten und dumme Rote Karten vermeiden.»
Mit welchem Ziel startet der FCB in die zweite Saisonhälfte?
«Oberste Priorität hat natürlich der Nichtabstieg. Das nächsthöhere Ziel kann nur Platz sechs sein. Aber ich will jetzt nicht die pure Attacke ausrufen, dafür sind wir in der falschen Position. Wir tun momentan gut daran, kleine Brötchen zu backen und uns auf unsere Leistung zu konzentrieren.»
Sie haben über 500 Spiele für den FC Basel bestritten, sind 24 Mal für die Nationalmannschaft aufgelaufen und haben drei Kinder. Bringt Sie noch irgendetwas aus der Ruhe?
«Seit der Geburt meines ersten Kindes bin ich ruhiger geworden, betrachte die Dinge differenzierter. Es bringt mich nicht mehr so schnell etwas aus der Fassung - ausser Interviews nach dem Match (lacht).»
Heute kann Fabian Frei über das von ihm angesprochene Interview lachen, am 9. Dezember aber überwog beim Basler Captain, der eine deutliche Wortwahl nie scheut, der Frust. Vor laufender Kamera platzte ihm nach einer 0:1-Niederlage gegen GC, an deren Ursprung eine frühe Rote Karte gegen Taulant Xhaka stand, der Kragen. Frei holte zum Rundumschlag aus, kritisierte den VAR, den Platzwart und die Sperrung des Gotthards in der Nacht.
«Ich habe mich in diesem Moment einfach über alles aufgeregt, hatte schwache zwei, drei Minuten, wie es halt manchmal menschlich ist. Im Nachhinein wäre ich wohl besser erst fünf Minuten in die Kabine gegangen, um ein wenig herunterzukommen. Die Szene zeigt aber auch, dass mir das Ganze nicht egal ist, sondern viel bedeutet, ich mit Emotionen dabei bin.»
Sie sind bereits im «biblischen» Fussballer-Alter von 35 Jahren, Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Wie sieht die Zukunftsplanung aus?
«Geplant ist, Stand jetzt, dass ich noch ein Jahr dranhänge. Ich bin noch fit und fühle mich nicht bereit, um aufzuhören.»
Wer im Testspiel gegen Bayern München Jamal Musiala, Leroy Sané und Thomas Müller in Schach hält, hat gute Argumente für eine hochdotierte Vertragsverlängerung.
«Nicht zu vergessen Harry Kane (schmunzelt).»
Der ist aber nicht deutscher Nationalspieler.
(lacht)
Hätten Sie denn Lust auf ein neuerliches Aufeinandertreffen mit dem erwähnten Trio?
«An der Lust hat es noch nie gelegen. Als Tabellen-Elfter der Schweizer Liga konzentriere ich mich momentan aber erst mal auf dem FCB. Ich mache mir nicht allzu grosse Hoffnungen, noch auf den EM-Zug aufzuspringen. Ich konnte schon eine WM und eine EM spielen, das ist doch ganz okay. Sollte es mich, aus welchem Grund auch immer, doch benötigen, wäre ich natürlich sehr gerne dabei.»
Die Sommerferien sind also noch nicht gebucht?
«Nein. Man weiss ja nie, was bis dahin noch passiert.»