Wicky liefert Argumente neben, Blum auf dem Rasen
Trainer bei den Young Boys zu sein, ist mit hohen Erwartungen verbunden. Siege allein genügen nicht. Und da die Berner in der laufenden Meisterschaft mehr Schwächen als erwartet gezeigt haben, schlagen dem Trainer Raphael Wicky trotz Rang 1 nach Verlustpunkten gewisse Zweifel entgegen. Und wenn dann der im Sommer auslaufende Vertrag noch nicht verlängert ist, führt das vor einem wegweisenden Spiel wie jenem gegen Roter Stern Belgrad, in dem es um das europäische Überwintern ging, selbstredend zu Spekulationen.
Auf den Druck angesprochen, antwortete Wicky: «Ich empfinde es nicht als Druck. Als ich (im Juni 2022) den Job erhielt, sah ich es als riesige Möglichkeit, in einem grossen Klub arbeiten zu dürfen.» Stets die Chancen und nicht die Gefahren zu sehen, so geht er jeden Tag an. «Ich versuche, den Fokus auf das zu legen, was ich kontrollieren kann. Ich möchte, dass die Mannschaft stets gut vorbereitet in ein Spiel geht, wir eine funktionierende Einheit sind», ergänzt Wicky. Während einer Partie habe er dann keinen grossen Einfluss mehr.
Ziele erreicht
Wäre YB am Dienstag gegen Roter Stern nicht als Sieger vom Platz gegangen, könnte sich kein Berner darüber beklagen, denn das 2:0 widerspiegelte nicht das Geschehen auf dem Platz. «Jedes Spiel hat seine Geschichte und die heutige ist, dass wir zum richtigen Zeitpunkt die Treffer erzielt haben», brachte es Wicky auf den Punkt. Vor dem 1:0 in der 8. Minute, ein Eigentor von Kosta Nedeljkovic, liessen die Serben zwei gute Chancen aus. Das Spiel hätte durchaus in die andere Richtung gehen können.
Nach der Sicherung des 3. Platzes in der Gruppe G der Champions League und der damit verbundenen Qualifikation für die Sechzehntelfinals der Europe League weist Wicky bei den Young Boys weiterhin eine makellose Bilanz aus, was die herausgegebenen Ziele betrifft. In seiner ersten Saison holte er mit der Mannschaft das Double, was zuvor erst zwei YB-Trainern gelungen war. In der Folge führte er die Berner zur dritten Teilnahme in der Königsklasse, und nun also geht die europäische Reise weiter.
Es gibt kaum Argumente, die gegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Walliser über den Sommer 2024 hinaus sprechen. Dementsprechend gelassen ist der 46-Jährige. Einen Zeitrahmen, wann er Klarheit über seine Zukunft haben will, hat er sich nicht gesetzt. «Das war für mich nicht das wichtigste Thema», sagt Wicky. «Ich bin aber sehr glücklich hier, schätze es enorm, dass Sachen, die nicht passen, stets intern angesprochen werden. Wir werden im richtigen Moment zusammensitzen und dann schauen wir, was die Zukunft bringt.»
Blum erfüllt sich Traum
Apropos Zukunft, diese scheint für Lewin Blum vielversprechend zu sein. Der rechte Aussenverteidiger unterstrich am Dienstag nicht nur wegen seines Tores zum 2:0, welch enorme Entwicklung er gemacht hat. Blum, am 27. Juli 2001 geboren, trainierte bereits als Neunjähriger einmal in der Woche mit der YB-Selection, einer Auswahl von talentierten Kindern der umliegenden Partnervereine. 2012 wechselte er dann fix zu den Young Boys, für die er am 29. Januar 2022 sein Debüt in der Super League gab.
Davor war der heute 22-Jährige ein halbes Jahr an Yverdon in die Challenge League ausgeliehen gewesen. Nach dem Abgang von Silvan Hefti kehrte Blum auf die Rückrunde der Saison 2021/22 zu YB zurück und überzeugte sogleich. Nun erfüllte er sich mit dem Treffer in der Champions League einen Traum. «Ich war ganz allein, sah, dass viel Verkehr vor dem Tor herrschte und probierte, präzis in die Ecke zu schiessen. Dann ging er irgendwie ins Tor», beschrieb er das 2:0. Danach seien sehr viele Emotionen zusammengekommen. Als Teil der Berner Abwehr trug er auch dazu bei, dass YB in der 17. Partie in der Champions League zum ersten Mal zu null spielte.
Bald ein Thema für das Nationalteam?
Blums gute Entwicklung lässt hoffen, denn auf seiner Position gibt es nicht viele Schweizer Spieler, die den internationalen Ansprüchen genügen. Nicht umsonst reiste Nationaltrainer Murat Yakin Ende des vergangenen Jahres nur mit einem gelernten rechten Aussenverteidiger (Silvan Widmer) an die WM nach Katar, was sich im Achtelfinal gegen Portugal (1:6) rächte, als Widmer krank ausfiel.
Wicky sieht Blum jedenfalls auf einem «sehr guten Weg. Er muss aber sicher noch konstanter werden. Wichtig ist einfach, dass er mit dem Erreichten nicht zufrieden ist, denn wenn man zufrieden ist, ist das ein direkter Rückschritt.» Was letzteres betrifft, besteht wenig Grund zur Sorge, zumal sich Blum selber nicht nur als bodenständig, sondern auch als lernwillig bezeichnet. Sein Potenzial dürfte also noch lange nicht ausgeschöpft sein.