Schweizer Tristesse in Sölden
Ein Schulterklopfer hier, ein Schulterzucken da, dann ein Lächeln auf beiden Seiten: Als Marco Odermatt im Zielraum von Sölden auf seinen Trainer Helmut Krug trifft, braucht es keine Worte. Beide wissen, es war ein Ausrutscher. Und dass dies dem Ausnahmeathleten in der Regel nicht zweimal hintereinander passiert.
Doch genau dies tat es beim Saisonauftakt auf dem Rettenbachgletscher ob Sölden. Nachdem Odermatt im Frühling die perfekte Saison im Riesenslalom mit dem Ausfall beim Saisonfinale in Saalbach verpasst hatte, schied der 27-jährige Nidwaldner auch beim Season Opening im Ötztal aus. Statt nach dem Rennen auf 2670 m ü. M. zum dritten Mal in Serie zuoberst auf das Podest zu steigen, lag der Dominator der vergangenen Saison nach 40 Fahrsekunden im Schnee. «Ich war etwas zu direkt, bin nicht sauber über die kleine Welle gefahren, habe einen Schlag erwischt und bin auf dem Innenski weggerutscht», analysierte Odermatt die Szene.
Das positive Gefühl von Odermatt
Grübeln wollte Odermatt nicht. Mit seinem gewohnt spitzbübischen Lächeln sagte er: «Es ist zwar schade, aber ich bin überhaupt nicht traurig.» Vielmehr überwiege das positive Gefühl, das er gehabt habe. «Es war richtig geil, wie ich oben gefahren bin. Ich war fast ein wenig übermotiviert und habe überall die direkteste Linie gesucht. Dann war es doch ein wenig zu viel. Es war unnötig, im ersten Lauf so viel zu riskieren.»
Ein Blick auf die Zwischenzeiten verdeutlicht dies: Keiner war schneller unterwegs als Odermatt. Bei der zweiten Zwischenzeit nach rund 27 Fahrsekunden hatte er eine Marge von vier Zehnteln und mehr auf die Konkurrenz. Sieger Alexander Stehen Olsen, der bereits nach dem ersten Lauf geführt hatte, lag da bereits mehr als sieben Zehntel hinter Odermatt.
Entsprechend schnell abgehakt habe er den Ausfall, sagte Odermatt, auch wenn er zum zweiten Mal in Folge nicht ins Ziel kam. «Ich hatte ja auch zwölf Siege in Serie, da kann man auch mal zwei Ausfälle in Folge verkraften.»
Meillards Rücken, Caviezels Fehler
Einer, der für Odermatt in die Bresche hätte springen können, wäre Loïc Meillard gewesen. Dem 27-jährigen Westschweizer bringt der Rettenbachgletscher jedoch weiterhin kein Glück. Nachdem ihm im letzten Jahr die Bindung einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, war es heuer der Rücken. Der Gesamtweltcup-Zweite und hinter Odermatt zweitbeste Riesenslalom-Fahrer der letzten Saison erlitt beim Einfahren einen Schlag und musste kurzfristig auf den Start verzichten. Wie er mitteilte, liessen die Schmerzen keinen Renneinsatz zu. Meillard begab sich für genauere Abklärungen in die Schweiz, wo eine MRI-Untersuchung Klarheit schaffen soll.
Ohne die beiden Topfahrer hielt nach dem ersten Lauf Thomas Tumler die Schweizer Chancen auf einen Podestplatz aufrecht. Ein völlig missratener zweiter Lauf spülte ihn jedoch von Platz 4 in den 14. Rang zurück. So war Gino Caviezel auf Platz 9 der beste Schweizer. Durch Fehler in beiden Läufen vor dem Flachstück vergab der Bündner ein besseres Ergebnis. «Ich bin kein Roboter, sondern immer noch Gino. Und ich sehe noch viel Potenzial nach oben.» Eine Aussage, die auf das gesamte Schweizer Team zutrifft.
Das schlechteste Ergebnis im Riesenslalom seit mehr als vier Jahren dürfte in Anbetracht der Breite des Kaders jedoch nur ein Ausrutscher gewesen sein.