Rafael Nadals Karriere ist untrennbar mit Roger Federer verknüpft
Das Bild ist um die Welt gegangen. Obwohl seine Frau zuhause hochschwanger war, erfüllte Rafael Nadal im September 2022 Roger Federers letzten Wunsch als aktiver Tennisspieler. Er flog extra nach London, um am Laver Cup mit dem Schweizer im Doppel zu spielen - bei dessen Abschied als Profisportler. Das Bild der beiden Superstars, wie sie tränenüberströmt nebeneinander sassen, ging um die Welt.
Wäre Rafael Nadal nicht wenige Jahre, nachdem er selber den Tennisthron erklommen hatte, auf der Bildfläche erschienen, hätte Roger Federer aller Wahrscheinlichkeit nach mehr als 20 Grand-Slam-Titel auf dem Konto. Seine Karriere wäre aber auch um viele Emotionen ärmer. Nadal hat den eine Zeit lang unantastbar über allen anderen schwebenden Maestro menschlicher gemacht.
Respekt und Freundschaft
So unterschiedlich die beiden auf dem Platz waren - hier der brachiale Krieger aus Mallorca, da die unübertroffene Eleganz des Filigrantechnikers aus Basel - so ähnlich waren sie sich daneben. Gut erzogen, immer höflich und anständig, respektvoll, aber auch ehrgeizig und bereit, dem Erfolg fast alles unterzuordnen. War es zu Beginn wohl noch eher der gemeinsame Kleiderausrüster, der die beiden zusammenbrachte, waren es je länger je mehr die gemeinsamen Erfahrungen, die sie miteinander teilten. Vermutlich konnte kein anderer die Emotionen in diesen vielen grossen Finals so gut nachvollziehen wie der grösste Rivale.
Nadal, im «normalen» Leben ein Rechtshänder, war für Federer lange ein Angstgegner. Keiner war für ihn so unangenehm zu spielen wie der unermüdliche Linkshänder mit dem speziellen Spin in seinen Bällen. Doch der Schweizer nahm die Herausforderung an, sie stachelte seinen Ehrgeiz erst recht an. Auf der anderen Seite verlor Nadal auch bei längeren Siegesserien nie den Respekt vor seinem Vorgänger als Nummer 1.
Zum Vorteil von beiden
Dank der je länger je deutlicher werdenden Freundschaft zwischen ihnen, wurden sie beide noch populärer. Die meist jüngeren Nadal-Fans, denen Federer oft etwas zu poliert und perfekt war, entwickelten mehr Respekt für ihn. Und die Federer-Liebhaber, die dem unerwünschten Emporkömmling Nadal ablehnend gegenüber standen, kamen zum Schluss, dass dieser doch nicht so übel sein konnte. Viele Sympathien verdiente sich Nadal, als er den weinenden Federer nach dessen Niederlage im Australian-Open-Final 2009 in den Arm nahm und Trost spendete.
Leidtragender war Novak Djokovic, der diese Harmonie an der Spitze des Welttennis störte. Die Federer- und Nadal-Fans verbündeten sich meist gegen den Serben, der sich nicht scheute, seine Ambitionen sehr deutlich und laut kundzutun. Manche empfanden das als respekt- und stillos - etwas, das Federer oder Nadal nie gemacht hätten.
Vorbilder für die nächste Generation
Nadal und Federer haben auch mit ihrer Langlebigkeit, die gerade beim verletzungsanfälligen Spanier erstaunte, eine Ära geprägt, wie es sie so wohl lange nicht mehr geben wird und der die Tennisnostalgiker nachtrauern. Sie haben aber auch ein Beispiel gesetzt, das zeigt: Auch die grössten Rivalen auf dem Platz können sich respektieren und sogar zu Freunden werden.
Was zu Zeiten von John McEnroe und Jimmy Connors, Pete Sampras und Andre Agassi oder Boris Becker und Michael Stich, die sich regelrecht hassten, noch undenkbar war, ist für die neue Generation um Carlos Alcaraz und Jannik Sinner zum Normalfall geworden. Es ist neben unzähligen wunderbaren Matches das vielleicht wertvollste Vermächtnis von Rafael Nadal und Roger Federer.