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Nach der grossen Leere die grosse Befreiung?

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Nach der grossen Leere die grosse Befreiung?

26. Juli 2024, 04:00 Uhr
Jérémy Desplanches will es in Paris nochmals allen zeigen
© KEYSTONE/PATRICK B. KRAEMER
Jérémy Desplanches wird seine Karriere nach den Olympischen Spielen in Paris beenden.

Der bald 30-jährige Genfer geniesst jeden Moment, den er im Olympischen Dorf und im Schwimmbecken der Défense Arena verbringt, hält aber fest: «Ich bin nicht als Tourist hier.»

2021 in Tokio schaffte Jérémy Desplanches mit Platz 3 über 200 m Lagen als erst zweiter Schweizer Medaillengewinner an olympischen Schwimm-Wettbewerben Historisches. Diesmal sind seine Ambitionen nicht dieselben. Dass er überhaupt in Paris dabei sein kann, verdankt der Romand einer Einladung, die er mittels Wildcard in letzter Minute erhalten und an die er nicht mehr geglaubt hat. Seither ist er völlig befreit.

«Ich fühle mich sehr glücklich, beruhigt, bin angekommen», lächelte der Genfer, als er sich am Mittwoch in Paris den Medien stellte. «Aber ich bin nicht hier, um Tourist zu sein. Ich nehme jede gute Energie mit, die ich hier finde», betonte der WM-Zweite von 2019, der voraussichtlich am 30. Juli über 4x200 m Crawl seinen ersten Einsatz im Pariser Schwimmbecken haben wird.

Zwei Tage später, am 1. August, finden die Vorläufe über 200 m Lagen statt. Hat er sich für seine Paradedisziplin ein konkretes Ziel gesteckt? «Das ist eine Fangfrage», antwortet Desplanches. «Ich habe festgestellt, dass bei mir die Freude von der Leistung abhängt. Ich denke, ich kann in die Halbfinals vorstossen, vielleicht reicht es sogar noch weiter», zeigt er sich vorsichtig.

Erst Leere, dann Sonder-Boost

Dass er so spät doch noch zum Handkuss kam, hat bei ihm scheinbar etwas ausgelöst. «Seit ich erfahren habe, dass ich eine Wildcard für die 200 m Lagen bekomme, bin ich im Training sechs Zehntel schneller geschwommen. Das ist unverständlich! Ich weiss nicht, ob mein Trainer übertrieben hat», lacht er. «Ich will die Chance jedenfalls nutzen, will einfach mein Bestes geben.»

Obwohl er die Olympia-Qualifikation als Einzelathlet verpasst hatte, trainierte Desplanches natürlich weiter hart für die Spiele, an denen er ursprünglich nur in den Staffeln (4x200 m Crawl und 4x100 m Lagen) antreten sollte. «Aber ich fühlte eine Leere, weil ich nur Crawl und Rücken trainiert habe. Das war ziemlich komisch», erklärte er.

Die Jagd nach der Olympia-Limite (1:57,94 Minuten über 200 m Lagen) setzte seiner Psyche zu. «Normalerweise war die Psyche immer meine Stärke», erinnert sich der zweifache EM-Medaillengewinner (Gold 2018, Silber 2021). «Ich hatte auf diese Wildcard gehofft, aber ich hatte null Spass bei meinen letzten 200 m Lagen», erzählt er.

Gemischte Gefühle

Als Schweizer Rekordhalter über 100 m Brust freut sich der Genfer auf die 4x100 m Lagen am 4. August: «Wenn wir (Antonio Djakovic/Crawl, Noè Ponti/Delfin, Roman Mityukov oder Thierry Bollin/Rücken und Desplanches selbst) alle unser bestes Niveau erreichen, können wir den Finale erreichen», sagt er, der drei Tage später seinen 30. Geburtstag feiern wird.

Zu weit vorausblicken mag Desplanches eigentlich nicht. «Ich habe Angst davor, zum letzten Mal den Neoprenanzug auszuziehen. Dieses Rennen wird voller Emotionen für mich sein» - und auch für seine Teamkollegen, «meine kleinen Brüder», wie er sie nennt. «Sie waren Jungs, als ich sie kennenlernte, jetzt sind sie Männer, die um Medaillen schwimmen. Ich bin stolz auf sie.»

Quelle: sda
veröffentlicht: 26. Juli 2024 04:00
aktualisiert: 26. Juli 2024 04:00