«Mit einem Ziel vor Augen ist nichts schwierig»
Um mehr schwimmen zu können, entschied sich Antonio Djakovic, die Sekundarschule an der Kunst- und Sportschule Zürich Oberland in Uster zu absolvieren. Dort wird den speziellen Bedürfnissen von Sport-, Musik- und Tanztalenten Rechnung getragen. So weit, so gut. Nur wohnte Djakovic damals in Münchwilen im Kanton Thurgau, was mit einem sehr langen Schulweg verbunden war. Er stand meistens um 5.30 Uhr auf, trainierte nach der Schule an die zwei Stunden und kam erst so um 21 Uhr nach Hause.
Ein Jahr hielt er durch, dann war für ihn klar, dass er dieses Pensum nicht mehr stemmen kann. Für ihn gab es zwei Optionen: nach Uster ziehen oder mit dem Schwimmsport aufhören. Die Eltern entschieden sich für erstere Variante, und der Vater gab seinen Job auf.
Schwester in der gleichen Gruppe
Djakovic ging früher auch kurz ins Karate und spielte Fussball, doch im Wasser zu sein, reizte ihn mehr. «Das hat sicher auch damit zu tun, dass mein Vater früher auch Schwimmer war», sagt Djakovic im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA im Vorfeld der Schweizer Meisterschaften in Uster. «Ich sah seine Medaillen. Nach kurzer Zeit hatte ich mehr als er, und dann wollte ich noch mehr.»
Djakovic gibt zu, dass es nicht einfach sei, jeden Tag Länge um Länge im Becken zurückzulegen und ständig die schwarze Linie am Boden anzuschauen - in Ausdauer-Phasen trainiert er 60 bis 70 Kilometer pro Woche. Es komme dann schon eine gewisse Langweile auf, meistens habe er ein paar Lieder im Kopf oder denke über sein Leben nach. «Wenn man jedoch den Sport liebt und ein Ziel vor Augen hat, dann ist einem nichts zu schwierig», sagt Djakovic. Zudem trainiert nun seine drei Jahre jüngere Schwester Vanna in der gleichen Gruppe wie er. Das sei sehr schön und helfe.
Antonio Djakovic kann sich bei intensiven Trainings bis zum Erbrechen quälen. Es ist eine Eigenschaft, die nicht viele mitbringen. Ein spezielles Mentaltraining macht er allerdings nicht. «Ich habe das Gefühl, dass ich von Natur aus mental stark und sozusagen immer bereit bin», sagt er dazu. Abzuschalten fällt ihm ebenfalls einfach.
Fukuoka gibt Zuversicht
Djakovic stand an internationalen Elite-Meisterschaften schon dreimal auf dem Podest. An den Kurzbahn-Weltmeisterschaften 2021 in Abu Dhabi wurde er über 400 m Crawl Dritter, an den Europameisterschaften 2022 im 50-m-Becken in Rom gewann er über 200 und 400 m Crawl die Silbermedaille. Im vergangenen Jahr in Fukuoka schaffte er über 400 m Crawl zum ersten Mal an Langbahn-Weltmeisterschaften den Sprung in den Final, den er als Sechster beendete. Dies trotz nicht optimaler Vorbereitung; er musste im März/April wegen einer Nackenverletzung fast einen Monat pausieren.
All die Ergebnisse stimmen Djakovic im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Paris zuversichtlich. Zwar belegte er an der WM im Februar in Doha lediglich die Ränge 15 (400 m Crawl) und 25 (200 m Crawl). In Katar war er allerdings durch eine Erkältung geschwächt; die vielen Klimaanlagen waren ihm zum Verhängnis geworden.
Bei seiner Olympia-Premiere vor drei Jahren in Tokio verpasste der Ostschweizer über 400 m Crawl den Final als Neunter lediglich um 14 Hundertstel. Der Achte der Vorläufe, der Tunesier Ahmed Ayoub Hafnaoui, gewann danach die Goldmedaille. Das zeigt Djakovic, dass in einem Final «alles möglich ist». Über 400 m Crawl sieht er die grössere Chance, diesen zu erreichen.
EM-Teilnahme offen
Wie sieht sein Programm bis Paris aus? In der nächsten Woche wird er auch die Vereins-Meisterschaften bestreiten. Dann steht noch ein Trainingslager in der Sonne im Programm, «um Vitamin D zu tanken», wie er sich ausdrückt. Ob er an den Europameisterschaften im Juni in Belgrad teilnimmt, lässt Djakovic offen.
Dass die Olympischen Spiele dermassen nah an der Schweiz stattfinden, findet er positiv. «Es wird mir helfen, die Eltern und die Schwester auf der Tribüne zu sehen.» Wenn sie dabei sind, löst das bei ihm grosse Emotionen aus. «Mit meinen Erfolgen gebe ich ihnen zurück, was sie für mich geopfert haben.»