Ingo Meckes' Zeit als Leistungssportchef endet mit der EM
Meckes hätte sich selbstredend ein besseres Ende gewünscht. Die Schweizer verpassten mit der 27:29-Niederlage gegen Nordmazedonien im letzten Vorrundenspiel den angestrebten 3. Rang in der Gruppe A, womit sie in den WM-Playoffs, die im Mai stattfinden, gesetzt gewesen wären. «Es war für mich eine komische Situation während des Spiels», sagt Meckes im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. In seiner Stimme schwingt Wehmut mit.
Vorbild Österreich
«Wir waren in der ersten Halbzeit nicht bereit, nicht alle Spieler brachten die notwendige Grundqualität aufs Feld», führt er weiter aus. Genau das wünscht er sich für die Zukunft und erwähnt das Beispiel Österreich. Der Nachbar holte gegen die höher eingestuften Teams aus Kroatien (28:28) und Spanien (33:33) je einen Punkt und steht in der Hauptrunde. «Die bringen in jedem Turnier ihre Leistung, fallen nie unter ein gewisses Niveau», so Meckes.
Er wünscht sich, dass die Schweizer ebenfalls eine solche Konstanz hinbekommen. Diese fehlte an der EM-Endrunde. Das 14:27 gegen Deutschland zum Auftakt war ein Debakel sondergleichen, danach trotzte die SHV-Auswahl Olympiasieger Frankreich ein 26:26 ab, ehe die Mannschaft gegen Nordmazedonien beide Gesichter zeigte.
Meckes zieht folgende Bilanz: «Das erste Spiel, und das soll keine Entschuldigung sein, war für mich kein Massstab. Da wusste keiner, was auf uns zukommt, und waren die Erwartungen unglaublich gross. Das ganze Drumherum überforderte uns (die Partie fand vor über 53'000 Zuschauern im Fussballstadion in Düsseldorf statt). Gegen die Franzosen gelang uns die beste Partie in den letzten 15, 20 Jahren.» Im Spiel gegen Nordmazedonien hätten sie dann die gebotenen Chancen nicht genutzt.
Wende nach Tiefpunkt
Die Niederlage ändert jedoch nichts an der positiven Gesamtbilanz in der fast 13-jährigen Amtszeit von Meckes. Es darf nicht vergessen werden, dass die Schweizer damals einiges entfernt waren von einer Teilnahme an internationalen Meisterschaften. Den Tiefpunkt bildete das WM-Playoff 2016, als es im Rückspiel gegen die Niederlande eine 21:34-Niederlage absetzte und die Schweizer mit dem Gesamtskore von 42:58 scheiterten.
«Schlimmer konnte es nicht werden», blickt Meckes zurück. In der Folge übernahm Michael Suter als Nationaltrainer. Es wurde auf junge Spieler gesetzt, die dem Handball alles unterordnen. Vier Jahre später waren die Schweizer erstmals seit der Heim-EM 2006 an einem grossen Turnier dabei, und zwar an der EM in Schweden, Norwegen und Österreich.
Die rasche Entwicklung kam für Meckes indes nicht überraschend, «weil wir mit dem Nachwuchs konkurrenzfähig waren. Bei den Jahrgängen 1992/93 und 1996/97 gehörten wir zu den Top 8 der Welt.» Die Eingliederung der Jungen hatte zur Folge, dass der fünffache Bundesliga-MVP Andy Schmid 2018 ein klares Bekenntnis zum Nationalteam abgab, was wichtig war.
Die Erfolge im Nachwuchs sind auch auf grössere Investitionen in diesem Bereich zurückzuführen. Im Rahmen eines Förderprojektes wurden bei den Top-Talenten wichtige Daten bezüglich der körperlichen Voraussetzungen eruiert. Meckes erwähnt das Beispiel Lenny Rubin (2,05 m), der als U17-Spieler nicht grösser war wie andere. «Wir wussten, dass er gross wird. Mit solchen Spielern kann anders geplant werden», sagt Meckes. «Denn es ist ein Fakt, dass es schwierig wird, wenn gewisse Paramater (Grösse, Explosivität) nicht erreicht werden. Diese Daten sind zuverlässig und wertvoll für die Zukunft. Unser Scouting-System funktioniert, wir kennen auf nationaler Ebene alle Talente mit 14, 15 Jahren.»
Positive Entwicklung auch bei den Frauen
Nicht nur bei den Männern ist die Bilanz in der Ära von Meckes positiv, sie ist es auch bei den Frauen. Die Schweizerinnen nahmen Ende 2022 mit der EM zum ersten Mal überhaupt an internationalen Meisterschaften teil. Und die Zukunft verspricht durchaus einiges, was auch an der im Sommer 2020 im Top-Zentrum OYM in Cham eröffneten Akademie liegt. Dort trainieren Spielerinnen im Alter zwischen 14 und 20 Jahren, pro Jahrgang sind drei, vier dabei.
Bei den Männern ist Ähnliches geplant. Meckes hofft auf eine breite Unterstützung der Vereine, «denn so können die letzten Prozente herausgeholt werden». Er wird das allerdings nur noch aus der Ferne beobachten, er hört Ende Januar auf. «Es war für mich klar, dass es kein Rentenjob ist», sagt Meckes. «Zwölfeinhalb Jahre sind in diesem Job alles andere als selbstverständlich.»
Dem Deutschen war es wichtig, selber zu entscheiden, wann er aufhört. Während er bei den Frauen noch Luft nach oben sieht, sind die Männer aus seiner Sicht mit Platzierungen um die Top 16 am Limit angelangt. Deshalb erachtet er es als Chance, dass frischer Wind hineinkommt, zumal die EM 2028 unter anderem in der Schweiz stattfindet. «Ich hoffe, ich täusche mich», sagt Meckes. Klar ist für ihn, dass es mehr Lizenzierte braucht, um ein breiteres Fundament zu haben. Umso bedauerlicher ist die Niederlage gegen Nordmazedonien. Denn Erfolge sind ein grosser Anreiz, eine Sportart auszuüben.