Dominant trotz Machtgerangel
Verstappen, immer wieder Verstappen! Erneut vermochte keiner der 19 Konkurrenten den Weltmeister aufzuhalten. Der Niederländer gewann in Saudi-Arabien auch das zweite Rennen des Jahres, saisonübergreifend markiert dieser Erfolg seinen neunten Sieg in Folge und den 56. insgesamt in der Formel 1.
Der Dominator hat allen Grund zur Freude. So schwärmte er nach der Siegerehrung im Schein eines imposanten Feuerwerks: «Es war wieder ein fantastisches Wochenende für uns. Ich habe mich super gut im Auto gefühlt.» Verstappens Aussagen standen nach dem neuerlichen Doppelsieg von Red Bull allerdings im krassen Gegensatz zu dem, was derzeit rund um ihn und sein Team abgeht.
Machtvakuum
Das Sportliche ist längst in den Hintergrund gerückt, seitdem Anfang Februar publik wurde, dass Red Bull eine interne Untersuchung gegen seinen Teamchef Christian Horner wegen angeblich unangemessenen Verhaltens gegenüber einer Mitarbeiterin eingeleitet hatte. Obwohl der Engländer - zumindest vom Team - nach Abschluss des Verfahrens entlastet und die Frau offenbar suspendiert wurde, haben sich die Wogen im Red-Bull-Lager bis heute nicht geglättet - im Gegenteil.
Was ursprünglich mit der isolierten Beschwerde von Horners persönlicher Assistentin begann, hat sich mittlerweile zu einem grossen Zoff entwickelt. Mehr und mehr sieht es danach aus, als sei ein Kampf um die Kontrolle des Formel-1-Teams im Gang, inmitten des Machtvakuums, das nach dem Tod von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz im Oktober 2022 entstanden ist.
Nachdem Horner ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war, sahen offenbar einige die günstige Gelegenheit, ihn aus dem Weg zu räumen. Dazu passt auch, dass vor Wochenfrist beim Saisonauftakt in Bahrain anonyme E-Mails mit angeblichen Beweisen, die im Mittelpunkt der Untersuchung gegen Horner standen, an leitende Mitarbeiter der Formel 1 geschickt wurden. Bis heute ist die Echtheit der 79 Dateien nicht bestätigt.
Dschungel an Spekulationen
Die Causa Horner ist ein Nährboden für wilde Spekulationen und Gerüchte. In Saudi-Arabien drohte die Situation vollends zu eskalieren, als durchsickerte, dass sich Red Bull unvermittelt von seinem Motorsportchef Helmut Marko trennen dürfte, weil dieser dafür verantwortlich gewesen sein soll, dass Chatverläufe von Horner mit der Mitarbeiterin öffentlich gemacht wurden.
Dies veranlasste Max Verstappen am Freitag unmittelbar nach der Eroberung der Pole-Position dazu, deutlich wie nie zuvor Stellung zum Thema zu nehmen. Während sein Vater Jos mehrmals öffentlich den Rücktritt von Horner gefordert hatte, stärkte Max nun seinem langjährigen Weggefährten Marko den Rücken, der früh sein Talent erkannt und ihn gefördert hatte. Der dreifache Weltmeister drohte sogar mit dem Weggang, sollte Marko das Team verlassen müssen.
Eine entsprechende Klausel hat sich Verstappen angeblich in seinen bis Ende 2028 gültigen Vertrag einbauen lassen. Klar: Die Konkurrenz würde einen Fahrer seines Kalibers mit Handkuss nehmen. Solange Red Bull das schnellste Auto baut, ist ein Wechsel Verstappens allerdings kaum vorstellbar.
Klärendes Krisengespräch
Zurück zu Marko. Am Renntag kam es in Jeddah zu einem klärenden Gespräch zwischen ihm und den Red-Bull-Geschäftsführern Oliver Mintzlaff und Franz Watzlawick. Details zum Treffen wurden nicht bekannt, Marko bestätigte aber: «Ich mache weiter, ja.» Nun müsse wieder Ruhe im Team einkehren, fügte der 80-jährige Österreicher an.
Oberste Priorität hat nun, die wichtigsten Protagonisten zusammenzuhalten, die dazu beigetragen haben, Red Bull in der Formel 1 zu einer dominanten Kraft zu machen. Da kommen selbstredend auch die Interessen des thailändischen Mehrheitseigentümers ins Spiel, der Teamchef Horner stützt und ihn im Amt halten will. Offenbar hat inzwischen auch Motorenlieferant Honda eine transparente Aufklärung in der Affäre gefordert.
Kein Ausweg?
Die Risse bei Red Bull zwischen den miteinander ringenden Besitzer-Parteien, Horner, den Verstappens und Marko scheinen nur noch schwer zu kitten. Und das, obwohl der Rennstall seit zwei Jahren die Formel 1 dominiert und Verstappen auch heuer im besten Auto als haushoher Favorit auf den WM-Titel gilt.
Ein bisschen mehr Spektakel auf statt neben den Rennstrecken würde der Formel 1 in den kommenden Wochen und Monaten jedenfalls gut tun. Nach den beiden Rennen unter Flutlicht am Persischen Golf folgt nun eine zweiwöchige Pause, ehe es mit dem Grand Prix von Australien in Melbourne weitergeht. Kaum vorstellbar, dass mit einem Verbleib von Horner dannzumal uneingeschränkt wieder alle Scheinwerfer auf Verstappen gerichtet sein werden.