Demirals Wolfsgruss wird vor dem Niederlande-Match zur Staatsaffäre
Ein Sieg trennt die Türkei vom dritten Halbfinal an einer Endrunde nach der WM 2002 und der EM 2008. Doch in den Tagen vor dem Match gegen die Niederlande vom Samstagabend (21.00 Uhr) drehte sich im Lager der Türken fast alles nur noch um den Wolfsgruss von Merih Demiral bei dessen Torjubel im Achtelfinal gegen Österreich.
Dass (auch) die UEFA den Gruss als Geste der rechtsextremen türkischen Bewegung «Graue Wölfe» einstufte und der Verband den Verteidiger am Freitag sanktionierte, warf in der Türkei so hohe Wellen, dass sich auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in die Diskussion einschaltete.
Rassismus, Verschwörung, Begeisterung
Die UEFA argumentierte, Demiral habe «die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fussball in Verruf gebracht». Erdogan konterte, der Torschütze habe mit der Geste lediglich seine Begeisterung gezeigt. Demiral selbst meinte, er habe nur ausdrücken wollen, wie stolz er sei.
Es werde mit zweierlei Mass gemessen, warf Erdogan der UEFA vor. «Fragt sich jemand, warum das deutsche Nationaltrikot einen Adler und das französische Trikot einen Hahn trägt?» Das türkische Aussenministerium witterte Rassismus und eine Verschwörung gegen sein Land und liess verlauten: «Dieser Entscheid hat die Einschätzungen verstärkt, dass die Tendenz zu voreingenommenem Verhalten gegenüber Ausländern in einigen europäischen Ländern zunimmt.»
Der pikierte Präsident kündigte an, zum Spiel nach Berlin anzureisen. Vor dem Umstand, dass die «Grauen Wölfe» mit 18'500 Mitgliedern die grösste rechtsextreme Organisation in Deutschland sind, ist die Partie nun als Hochrisiko-Spiel eingestuft.
Grosser Aussenseiter
Dabei wird die Türkei der grosse Aussenseiter sein. Nicht nur fehlt ihnen neben den Gelbgesperrten Orkun Kökcü und Ismail Yüksek mit Demiral ein dritter Spieler. Auch geht die Niederlande dank dem überzeugenden 3:0 im Achtelfinal gegen Rumänien gestärkt ins Viertelfinal-Duell.
In vielen Punkten zeigte sich die in der Heimat nach dem 2:3 gegen Österreich harsch kritisierte Elftal im ersten K.o.-Spiel stark verbessert gegenüber den durchwachsenen Auftritten in der Gruppenphase. Ein Problem blieb die Chancenverwertung. Cody Gakpo und Co. liessen zahlreiche Möglichkeiten ungenutzt. «Wir werden besser. Einige Puzzleteile fehlen noch, aber das wird schon», beruhigte der Liverpool-Stürmer.
Die möglichen Aufstellungen:
Niederlande - Türkei
Berlin. - Samstag, 21.00 Uhr. - SR Turpin (FRA).
Niederlande: 1 Verbruggen; 22 Dumfries, 6 De Vrij, 4 Van Dijk, 5 Aké; 24 Schouten, 14 Reijnders; 18 Malen, 7 Simons, 11 Gakpo; 10 Depay.
Türkei: 1 Günok; 18 Müldür, 4 Akaydin, 14 Bardakci, 20 Kadioglu; 22 Ayhan, 15 Özcan; 8 Güler, 10 Calhanoglu, 19 Yildiz; 21 Yilmaz.
Bemerkungen: Türkei ohne Demiral, Kökcü und Yüksek (alle gesperrt).