Annik Kälin greift im Siebenkampf an
Der Rückblick auf den Zehnkampf der Männer, bei dem ein «Massensterben» viele Türen öffnete, andere über sich hinauswuchsen und mit dem Norweger Markus Rooth sogar ein Aussenseiter Olympiasieger wurde, lässt Hoffnungen aufkommen. Hoffnungen, dass es bei den Frauen im Siebenkampf am Donnerstag und Freitag ähnlich turbulent zu und hergeht, und dass Annik Kälin sogar nach einer Medaille greifen kann.
Ihr Vater und Trainer Marco Kälin tritt auf die Euphorie-Bremse. «Es müsste schon sehr viel passieren, damit Bronze mit 6600 Punkten weggeht», sagt er. «Ich rechne mit 6700 Zählern und mehr für die Medaillen.»
Konkurrenz ist gross
Annik Kälin hievte den Schweizer Rekord an der EM 2022 in München auf 6515 Punkte und wurde dafür mit Bronze belohnt. Heuer unterstrich sie mit den Skores von 6506 (Götzis) und 6490 (EM-4. in Rom) ihren Ruf als konstante Athletin. «Diese Werte liegen in etwa in der Mitte der möglichen Bandbreite von 6400 bis 6650 Zählern», meint Marco Kälin zum Potenzial seiner Tochter.
Will heissen: Selbst wenn Annik Kälin ein Traum-Wettkampf gelingt, ist eben die Medaille nicht garantiert. Die Amerikanerin Anna Hall, sie erreichte vor einem Jahr in Götzis fast 7000 Punkte, und die Belgierin Nafissatou Thiam, sie strebt den dritten Olympiasieg an, sind Extra-Klasse. Und dann folgen vier weitere Namen mit 6600 und mehr Punkten in dieser Olympia-Qualifikationsperiode. Und ehemalige Top-Athletinnen haben sich für Paris noch einmal in Form gebracht. Die Dichte im Siebenkampf ist derart hoch, dass ein Schweizer Rekord am Freitagabend sogar ausserhalb der Diplom-Ränge liegen kann.
Siebenkampf erhält den Vorzug
Annik Kälin ist nicht nur Schweizer Rekordhalterin im Siebenkampf, sondern auch im Weitsprung. Mit den 6,84 m anlässlich der EM in Rom wäre sie auch in einem Olympia-Final konkurrenzfähig. Auch die Kälins standen wie Simon Ehammer und dessen Crew vor der Qual der Wahl. Letztlich erhielt der Siebenkampf den Zuschlag, weil die Schmerzen an der Patellasehne verschwunden sind. Zudem kommen im Weitsprung doch mehr Athletinnen für die Top 8 infrage als im Siebenkampf.
«Annik ist derzeit in Bestform», betont ihr Vater. «Sie musste kein Training auslassen.» Mit einem guten Wettkampf werde der Rekord fallen. Persönliche Bestleistungen seien in jeder Disziplin möglich, selbst im Weitsprung. Den Flug in die Sandgrube haben die beiden in der Hallensaison forciert und somit einen Schwerpunkt auf die Schnelligkeit und Sprungkraft gelegt. Jetzt gilt es, noch gesund zu bleiben. Im vergangenen Jahr erkrankte die Athletin an der WM in Budapest. Marco Kälin, ein Arzt, und seine Tochter haben deshalb die sozialen Kontakte in letzter Zeit reduziert und sind auch erst diese Woche nach Paris gereist.