Zürcher Obergericht verurteilt Klima-Aktivistin wegen Nötigung
Die Übersetzerin, Philosophin und Yogatherapeutin, die mittlerweile auf einem Hof in Frankreich lebt, hatte sich im Oktober 2021 als Aktivistin von «Extinction Rebellion» auf die Zürcher Uraniastrasse gesetzt und den Verkehr blockiert.
Dafür hat das Obergericht sie nun zu einer bedingten Geldstrafe wegen Nötigung verurteilt. Der Sachverhalt sei unbestritten, sagte der Richter. Sich auf die Strasse zu setzen, sei verkehrsregelwidrig.
«Die Gletscher schmelzen trotzdem weiter»
Das Argument, dass der Klimawandel ein drängendes Problem sei und solche Aktionen nötig mache, liess er nicht gelten. «Sie können dort so lange sitzen, wie Sie wollen. Die Gletscher schmelzen trotzdem weiter.» Sich auf die Strasse zu setzen, nütze einfach nichts.
Es gebe genügend andere, legale Wege, um auf dieses durchaus ernste Problem aufmerksam zu machen. Weitere Aufmerksamkeit sei ohnehin unnötig. «Die ganzen Zeitungen sind ja voll davon.»
Das Obergericht fällte die bedingte Geldstrafe mit drei Jahren Probezeit aus - üblich sind eigentlich zwei Jahre. «Sie sind heute noch überzeugt, richtig gehandelt zu haben», sagte er zu ihr. Das wecke doch Bedenken, ob die Prognose hier positiv sei.
Mit dem Urteil folgte das Obergericht dem Antrag des Staatsanwaltes, der 20 Tagessätze zu 50 Franken bedingt gefordert hatte. Das Gericht korrigierte lediglich die Höhe des Tagessatzes auf das Minimum, weil sie mit drei Kindern «sicher nicht auf Rosen gebettet» sei.
Es riecht nach «Chilling-Effekt»
Der Staatsanwalt musste sich bei diesem Prozess ebenfalls Kritik anhören. Das «volle Programm», das die Polizei bei Klima-Aktivisten jeweils durchziehe, sei grenzwertig, sagte der Oberrichter.
«Man kann sich schon fragen, ob eine nackte Leibesvisitation wirklich nötig ist.» Auch 48 Stunden hinter Gittern und ein Wangenschleimhautabstrich rieche etwas nach dem so genannten «Chilling-Effekt», also Abschreckungs-Effekt.
«Es wäre vielleicht besser, bei nicht gewalttätigen Störenfrieden nur die Personalien aufzunehmen.» Sonst hätten Menschen irgendwann Angst, ihre Meinung kundzutun. Das Obergericht ordnete deshalb an, dass der Wangenschleimhautabstrich der 48-Jährigen vernichtet wird. Das Urteil kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden.
Erster Richter solidarisierte sich mit Aktivisten
Bei der ersten Instanz am Bezirksgericht hatte die Schweizerin noch mehr Erfolg. Der damals zuständige Richter sprach sie im September 2022 frei und sagte ihr bei der Urteilseröffnung sogar, dass sie sich nicht einschüchtern lassen solle. Den drei Kindern gab er mit, dass sie «stolz sein können auf ihre Mutter».
Das Bundesgericht erklärte diesen Bezirksrichter jedoch im April definitiv für befangen. Er habe sich offensichtlich mit den Aktivisten solidarisiert. Der Richter wurde deshalb von allen Klima-Prozessen abgezogen und darf künftig keine solchen Verhandlungen mehr führen.