Wegen Sex-Vorwürfen entlassener Bankdirektor erhält Entschädigung
Eine Angestellte hatte den Direktor im August 2018 bei der internen Ombudsfrau für Verhalten und Ethik gemeldet. Die Bank untersuchte den Fall. Sie kam dabei zum Schluss, dass die von der Angestellten sowie von weiteren Mitarbeitenden beschriebenen unangemessenen Verhaltensweisen mit grosser Wahrscheinlichkeit stattgefunden hätten.
Die Bank entliess daraufhin den Mann ordentlich. Doch der Geschasste, der neun Jahre lang für die Bank gearbeitet und am Ende 20'000 Franken pro Monat verdient hatte, setzte sich dagegen zur Wehr und pochte auf eine Entschädigung.
Kündigung grundsätzlich möglich
Das Zürcher Arbeitsgericht hatte dem Mann eine Entschädigung noch verwehrt. Missbräuchlich sei eine Kündigung nur, wenn sie leichtfertig und ohne vernünftige Begründung ausgesprochen werde. Vorliegend habe aber ein begründeter Verdacht bestanden, der die Weiterbeschäftigung des Mannes als unzumutbar habe erscheinen lassen.
Die Bank habe die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gemäss ihren internen Richtlinien und Merkblättern untersucht und sie sorgfältig auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft. Angesichtes mehrerer Personen, die den Direktor belasteten, sprach das Arbeitsgericht nicht von einem isolierten Vorfall, sondern von wiederholten Verhaltensweisen.
Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis von beiden Seiten ohne Grund gekündigt werden, hält auch das Zürcher Obergericht in seinem kürzlich veröffentlichen Urteil fest. Deshalb wäre die vorliegende Verdachtskündigung - der Direktor wurde wegen bloss vermuteten Fehlverhaltens entlassen - prinzipiell zulässig.
Allzu pauschale Vorwürfe
Diese Kündigungsfreiheit finde aber im Missbrauchsverbot ihre Grenzen, schreibt das Obergericht weiter. Und diese Grenzen seien in diesem Fall überschritten worden, da sich der Direktor gar nicht habe sinnvoll verteidigen können.
Denn die Bank überrumpelte den Mann; sie hatte ihn zu einem «Gespräch» eingeladen und dabei unerwartet mit allgemeinen Vorwürfen konfrontiert. Sie informierte ihn dabei weder über die Namen der angeblich belästigten Personen noch über Ort, Zeitpunkt und genaue Art und Weise der ihm vorgeworfenen Handlungen.
Die Bank hatte geltend gemacht, damit - wie in den Merkblättern festgehalten - die Anonymität der meldenden Personen zu schützen. Sichere die Bank ihren Mitarbeitenden Vertraulichkeit zu, könne dies aber nicht zulasten der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeschuldigten gehen, hält das Obergericht nun fest.
Dem Bankdirektor sei «aufgrund der mangelhaften Spezifizierung der Vorwürfe die Möglichkeit genommen worden, allfällige entlastende Tatsachen vorzubringen». Ihm sei das rechtliche Gehör nicht gewährt worden. Die Kündigung sei damit missbräuchlich erfolgt. Das Obergericht sprach dem Mann eine Entschädigung von dreieinhalb Monatslöhnen - also 70'000 Franken - zu.