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Mit Köpfchen durch die Wand

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Mit Köpfchen durch die Wand

18. März 2024, 10:28 Uhr
Mit dem Gewinn der Riesenslalom-Kugel verwirklicht sich Lara Gut-Behrami einen Traum
© KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER
Mit fast 33 Jahren macht sich Lara Gut-Behrami zur ältesten Gesamtweltcup-Siegerin. Ein später Zenit, den ihr nach 2017 nicht mehr alle zugetraut haben, für den es aber gute Gründe gibt.

8 Siege und 16 Podestplätze in 26 Rennen, nur vier Mal nicht in den ersten sechs - was für ein Traum-Winter für Lara Gut-Behrami! Dass die Tessinerin mit dieser Ausbeute zum zweiten Mal nach 2016 den Gesamtweltcup (und weitere Kristallkugeln) gewinnt, liegt auf der Hand. Der Erfolg ist auch nicht bloss der Verletzungspause von Mikaela Shiffrin geschuldet.

16 Jahre nach ihrem ersten Podestplatz, dem legendären Sturz über die Ziellinie zum 3. Platz in der Abfahrt im Februar 2008 in St. Moritz, ist Gut-Behrami die älteste Gesamtweltcup-Siegerin der Geschichte. Solch eine lange Zeitspanne des Erfolgs hatten ihr nicht nur wegen Shiffrins Dominanz nicht mehr viele an der Spitze des Frauen-Skisports zugetraut. Schliesslich verlief die Karriere keineswegs geradlinig. Verletzungen, Reibereien mit dem Verband und immenser Druck hatten die nunmehr 45-fache Weltcupsiegerin, Olympiasiegerin und Doppel-Weltmeisterin mehrmals aus der Bahn geworfen.

Erst in der jüngeren Vergangenheit fand Gut-Behrami jene Balance, die eine lange Karriere erst ermöglicht. Über Umwege gelang es ihr, jenen Ballast abzuwerfen, der jahrelang wie eine tonnenschwere Last auf sie gedrückt und ihr Dasein als Profisportlerin zum gefühlten Überlebenskampf gemacht hatte.

«Es gibt diesen einen Schlüsselmoment nicht, der alles geändert hat. Es waren viele kleine Etappen», sagt Gut-Behrami über die Wende zum Guten nach dem Karriere-Knick an der WM 2017 in St. Moritz, als sie sich beim Einfahren zum Kombinations-Slalom das Kreuzband riss und die schwere Verletzung als Erlösung empfand, als Ausbruch aus dem Hamsterrad.

Früher habe sich alles ums Gewinnen gedreht, schilderte Gut-Behrami einst. Die vielen kleinen Etappen verhalfen dazu, dass die ausbalancierte Lara Gut-Behrami der Gegenwart nicht mehr die vom ständigen Streben nach maximalem Erfolg getriebene Lara Gut von vor 2017 ist.

Konsequenter Schnitt im Sommer 2018

Zur positiven Wandlung trug bei, dass sich die Tessinerin 2018 aus sämtlichen sozialen Medien zurückzog, sie Interviews und sonstige Sponsoren-Verpflichtungen auf ein Minimum reduzierte und seither zugunsten ihrer mentalen Gesundheit auf reizvolle Nebeneinkünfte verzichtet. Hinzu kam die Beziehung mit Valon Behrami, die ihr privat und sportlich augenscheinlich sehr guttat.

«Jetzt bin ich endlich konsequent», meinte Gut-Behrami nach dem Schnitt 2018. Zur Beziehung mit dem ehemaligen Schweizer Fussball-Nationalspieler, den sie in jenem Jahr heiratete, sagte sie: «In Valon habe ich jemanden gefunden, der mir gezeigt hat, dass es noch anderes gibt als den Sport. Er hat mir geholfen, mich zu verändern, mich weiterzuentwickeln und mich auch besser zu verstehen. Dank ihm wurde mir bewusst, dass es viel mehr gibt als das Skifahren. Durch ihn merkte ich, dass meine Zufriedenheit nur vom Siegen abhing.»

Um an die sportlich besten Jahre anzuknüpfen und zu einer Beständigkeit zu finden, die sie zuvor nicht kannte, brauchte Gut-Behrami Zeit und Geduld. Im fortgeschrittenen Alter feierte sie auch jene Erfolge, die ihr zuvor verwehrt geblieben waren: 2021 wurde sie in Cortina d'Ampezzo Weltmeisterin sowohl im Super-G als auch im Riesenslalom (sowie Dritte in der WM-Abfahrt), 2022 holte sie sich in Peking im Super-G den fehlenden Olympiasieg (und gewann Bronze im Riesenslalom).

Nun ist Gut-Behrami zum zweiten Mal Gesamtweltcup-Siegerin. Shiffrins Verletzung spielte ihr in diesem Traum-Winter natürlich in die Karten. Ihren Gesamtsieg aber allein diesem Umstand zuzuschreiben, wäre falsch. Bevor sich Shiffrin Ende Januar verletzte, lag die Amerikanerin zwar 420 Punkte vor Gut-Behrami. Zu diesem Zeitpunkt waren indes schon acht Slaloms absolviert und erst je vier Abfahrten und Super-G. Gut-Behrami hätte Shiffrin in dieser Topverfassung also auch dann ein- und überholen können, wenn sich Letztere nicht verletzt hätte.

«Sie hat eine so grossartige Karriere, von Beginn an war sie eine Podestfahrerin und die ganze Zeit über so konstant. Und als Fan des Sports schaue ich ihr einfach gerne zu», anerkennt auch Shiffrin.

Wie lange noch?

Bleibt die Frage, wie lange die Schweizer Skirennfahrerin mit den zweitmeisten Weltcupsiegen nach Vreni Schneider (55 Siege) noch weiterfährt. Hatte die erste Lara Gut eine lange Karriere aufgrund der negativen Begleiterscheinungen praktisch ausgeschlossen, sind nun viele Szenarien denkbar - vom plötzlichen Rücktritt im Karriere-Zenit nach dieser Saison, wie von der ehemaligen Weggefährtin und heutigen SRF-Expertin Tina Weirather in einem Podcast gemutmasst, bis hin zur Fortsetzung über mehrere Winter hinaus.

Selbst sprach Gut-Behrami davon, bis zur WM 2025 in Saalbach-Hinterglemm weitermachen zu wollen. Von da aus wäre es auch nicht mehr weit bis zu den nächsten Olympischen Spielen. Die alpinen Frauen-Rennen finden 2026 in Cortina d'Ampezzo statt - in ihrem Wahl-Heimatland Italien, dort, wo sie schon viele schöne Erfolge gefeiert hat - und wo sie sich an der Seite von Valon Behrami wohlfühlt.

Quelle: sda
veröffentlicht: 18. März 2024 10:28
aktualisiert: 18. März 2024 10:28