Männer in geschlechtergerechten Ländern stärker unter Statusdruck
«Interessanterweise bestehen in den relativ geschlechtergerechten Ländern Schweiz und Schweden besonders starke soziale Normen für Männer, die sie auffordern, den höheren sozialen Status ihrer Geschlechtergruppe aufrechtzuerhalten», erklärt Christa Nater vom Institut für Psychologie der Universität Bern laut Mitteilung vom Mittwoch.
Sie hat zusammen mit Sabine Sczesny die Statusnormen für Frauen und Männer in sieben Ländern mit teilweise sehr unterschiedlicher Ausprägung der Chancengleichheit untersucht. Die Studie mit 4327 Teilnehmenden wurde unter der Leitung der Universität Bern in internationaler Zusammenarbeit erstellt und in der Fachzeitschrift «Psychology of Women Quarterly» veröffentlicht.
Starke Männer
In einem ersten Schritt identifizierten die Forschenden Geschlechterregeln, die in den untersuchten Ländern gelten. Diese Regeln bestimmen, wie Frauen und Männer zu sein haben. In einem zweiten Schritt wurde definiert, wie sehr diese Eigenschaften von hohem oder niedrigem sozialen Status sind.
In allen untersuchten Ländern kam heraus, dass Männer keine Eigenschaften zeigen sollten, die mit Schwäche oder tiefem sozialem Status zu tun haben.
Bei Frauen fiel das Resultat differenzierter aus. In Ländern mit höherer Geschlechtergerechtigkeit werden Frauen keine solchen Geschlechterregeln auferlegt. In weniger geschlechtergerechten Ländern hingegen sollen Frauen kein dominantes Verhalten zeigen, das von hohem sozialem Status ist.
Verstärkter Wettbewerb
In Ländern mit relativ geringer Geschlechtergerechtigkeit, etwa den USA, Indien, Türkei, Ghana oder Iran, in denen Frauen weniger Chancengleichheit haben, sähen sich Männer mit weniger starken Statusnormen konfrontiert, so die beiden Forscherinnen weiter.
Gesellschaftliche Geschlechtergerechtigkeit werde allgemein als fair empfunden. Die grössere Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern rüttle jedoch an der traditionellen Geschlechterhierarchie und verstärke den Wettbewerb zwischen den Geschlechtergruppen um statushohe Positionen, Macht und Ressourcen, kommen die Forscherinnen zum Schluss.
Laut Nater untergräbt der Statusdruck in verborgener Weise das Erreichen von Geschlechtergerechtigkeit. «Unsere Studie zeigt, wie wichtig es ist, die vielfältigen und teilweise verborgenen Hindernisse auf dem Weg zur tatsächlichen Chancengleichheit zu kennen, um soziale Ungleichheiten effektiv abbauen zu können», wird Nater weiter zitiert.