Kritik an Arbeitskollegen ist gemäss Zürcher Obergericht zulässig
Dass die beiden Beschuldigten - eine 35-jährige Frau und ein 39-jähriger Mann - im Dezember 2018 die E-Mail firmenintern an fünf Personen gesandt hatten, war im gesamten Verfahren unbestritten. Wie aber der Inhalt der Nachricht zu werten war, darüber gingen die Meinungen auseinander.
Nicht integer, unethisch, unmoralisch
Für den 54-Jährigen war offensichtlich: Die beiden Arbeitskollegen hätten ihn bei Vorgesetzten anschwärzen und verleumden wollen. Die verwendeten Begriffe der Belästigung («harassement») und der feindseligen Methoden («hostile methods») stünden im firmeninternen Verhaltenskodex immer in einem sexuellen Zusammenhang.
Seine beiden Arbeitskollegen hätten genau gewusst, welche Schlüsselwörter sie einbauen müssten, damit bei der europäischen Führungsebene des Unternehmens, an welche die Mail gegangen sei, die Alarmglocken schrillen würden, brachte der Mann vor.
Damit seien ihm unbestimmte sexuelle Belästigungen und sexistische Bemerkungen vorgeworfen worden. Zudem hätten ihm die beiden auch unterstellt, sich nicht an den Firmenkodex gehalten zu haben - und damit nicht integer, unethisch und unmoralisch gehandelt zu haben.
Eine Kritik am beruflichen Verhalten
Die beiden Beschuldigten hielten demgegenüber fest, dass sich die geäusserte Kritik einzig auf das Verhalten als Geschäftsmann bezogen habe. «Harassement» sei ein eigenständiges Wort; nur mit dem Adjektiv «sexual» wäre eine sexuelle Belästigung gemeint.
Das Obergericht gelangte nun - wie zuvor das Bezirksgericht - zum selben Schluss. Lese man die E-Mail, gehe daraus hervor, dass es um den Umgang und die Kommunikation des 54-Jährigen mit den Mitarbeitern gegangen sei. Diese seien als «feindselig» und «schikanös» bezeichnet worden. «Aus der E-Mail geht nicht hervor, welche Unternehmensregeln und -richtlinien er ignoriert haben soll.»
Es habe sich damit um eine Kritik am beruflichen Verhalten des Mannes gehandelt; die Nachricht sei nicht als Angriff auf dessen persönliche Ehre zu betrachten, hält das Obergericht im Urteil fest. Der üblen Nachrede mache sich schuldig, wer eine Person eines unehrenhaften Verhaltens beschuldige oder dessen Ruf schädige.
Äusserungen, die sich lediglich eignen, jemanden als Geschäfts- oder Berufsmann, als Politiker oder Künstler in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen, gelten nicht als ehrverletzend, wie das Obergericht schreibt. Dies selbst, wenn sie geeignet sind, zu verletzen oder zu diskreditieren. Das Obergericht gelangte deshalb zu zwei Freisprüchen.