Zürcher Obergericht hebt Urteil gegen Pierin Vincenz auf
Das Bezirksgericht Zürich hatte Vincenz und vier Geschäftspartner im April 2022 zu teilweise mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Dabei seien aber zentrale Ansprüche auf rechtliches Gehör und eine gesetzeskonforme Anklageschrift verletzt worden, hält das Obergericht Zürich in einer Medienmitteilung vom Dienstag fest.
Es hat deshalb das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und das Strafverfahren an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Diese muss nun die Verfahrensmängel beheben und dann beim Bezirksgericht Zürich erneut Anklage erheben. Die Vermögenswerte von Vincenz und weiteren Personen werden nicht freigegeben; diese bleiben sichergestellt.
Ausschweifende Anklageschrift
Das Obergericht stufte unter anderem das Anklageprinzip als verletzt ein: In der «teilweise ausschweifenden Anklageschrift» würden die Anschuldigungen derart umfangreich vorgebracht, dass der gesetzliche Rahmen gesprengt sei. «Durch diesen Umstand wurde den Beschuldigten im erstinstanzlichen Verfahren erheblich erschwert, sich wirksam zu verteidigen.»
Dass für einen französischsprachigen Beschuldigten nur Auszüge aus der Anklageschrift übersetzt worden seien, genüge auch nicht, hält das Obergericht weiter fest. Dies stelle eine schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Fairnessgebots dar.
Bei der Rückweisung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft handelt es sich um einen technischen Entscheid: Zur Frage von Schuld oder Unschuld äussert sich der Beschluss nicht.
Bis zu vierjährige Freiheitsstrafen
Das Bezirksgericht Zürich hatte Vincenz und dessen Geschäftspartner unter anderem wegen Betrugs und mehrfacher Veruntreuung mit Freiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten beziehungsweise vier Jahren bestraft. Drei weitere Beschuldigte wurden zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Eine weitere Person wurde freigesprochen, das Verfahren gegen eine weitere wurde eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft warf dem ehemaligen Raiffeisen-Chef und seinem Kompagnon insbesondere vor, dass sie sich heimlich an Firmen beteiligt und danach dafür gesorgt hatten, dass diese Unternehmen unter anderem durch die Raiffeisen aufgekauft wurden. Dabei sollen die beiden Gewinne in Millionenhöhe eingestrichen haben.
Diese erstinstanzlichen Urteile zogen die Beteiligten ans Zürcher Obergericht weiter. Der Berufungsprozess war für Juli 2024 angesetzt gewesen. Nun kam das Obergericht aber zum Schluss, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage überarbeiten und neu einreichen muss.