Verteidiger sieht keinen Mord, Staatsanwalt schon
Der mutmassliche Täter war in erster Instanz wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Angeklagte die Frau bei einem Streit mit einer Glasflasche auf den Kopf schlug, würgte und sie in der Badewanne dann auch noch mit einem Duschschlauch strangulierte.
Der Angeklagte, der die Tat stets bestritten hatte, akzeptierte das Verdikt nicht und zog den Fall ans Obergericht weiter. Dort dann am Donnerstag die Kehrtwende: er habe die Frau umgebracht, gestand der Mittzwanziger plötzlich. Er wolle nun reinen Tisch machen.
Über vier Stunden nahm ihn daraufhin die Strafkammer des Obergerichts in die Zange. Doch rasch wurde klar, dass viele Widersprüche in den Aussagen des Mannes nicht aufgelöst werden würden. Die Vorsitzende der Strafkammer ermahnte den Mann mehrfach, wie angekündigt, die Wahrheit zu sagen.
Schulden bis über beide Ohren
Der Angeklagte und die junge Frau waren einige Monate lang ein Paar. Im August 2021 trafen sich die beiden wieder in ihrer Wohnung und hatten Sex. Der Mann habe aber nicht etwa der Liebe wegen wieder mit seiner Bekannten angebandelt, betonte der Staatsanwalt am Donnerstag vor Obergericht.
Vielmehr habe er für die Berufsschule einen Laptop gebraucht, den er sich nicht habe leisten können. Wegen hoher Schulden sei ihm finanziell das Wasser zum Hals gestanden. Bei seiner Bekannten habe er gehofft einen Laptop und Geld zu bekommen.
Die beiden seien in Streit geraten, der dann sofort eskalierte. Der Mann habe einen starken Tötungswillen gehabt. Auch wenn die Tat nicht von langer Hand geplant gewesen sei, so müsse man sie aufgrund ihrer besonderen Skrupellosigkeit als Mord qualifizieren, forderte der Staatsanwalt eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils.
Auch das Verhalten des Mannes nach der Tat sei krass egoistisch gewesen. Mit dem Mobiltelefon des Opfers habe er sich sogleich mit «Twint» Geld auf sein Konto überwiesen. Damit habe der Mann Schuldenlöcher gestopft und sei dann seelenruhig mit einem anderen Schwarm in Zürich shoppen gegangen.
Der Beschuldigte habe seine Aussagen stets dem Stand der Untersuchung angepasst und Schutzbehauptungen aufgestellt, so der Staatsanwalt. Die Aussagen seien nicht glaubhaft, ein einziges «Hüst und Hott».
Strafe von fünf Jahren
Der Verteidiger hingegen sah in der Tat keinen Mord. Sein Mandant habe beim Streit einfach «rot gesehen», die Frau geschlagen und gewürgt. Als sie keine Regung mehr von sich gab, habe er irrtümlich angenommen, sie sei tot. Er habe sie daraufhin in die Badewanne gelegt. Hinweise, dass er sie ertränkte, gebe es keine.
Jede Tötung eines Menschen sei a priori schrecklich und grausam, betonte der Verteidiger. Doch besondere Grausamkeit oder Skrupellosigkeit, wie es sie für die Mordqualifikation brauche, könne man seinem Mandanten nicht attestieren.
Der Beschuldigte sei nach der Tat hin- und hergerissen gewesen, habe Fluchtgedanken gehabt. Für eine Flucht und die Rückzahlung von Schulden habe er Geld gebraucht. «Hat er sich damit so aussergewöhnlich verhalten?», fragte der Verteidiger.
Sein Mandant sei wegen vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren zu verurteilen, forderte er schliesslich.
Taktisches Geständnis
Unter dem Coaching seines Verteidigers habe der Mann am Donnerstag gestanden, die Frau umgebracht zu haben, sagte der Anwalt der Eltern des Opfers. Das Geständnis habe einzig das Ziel, eine Verurteilung wegen Mordes abzuwenden.
Das Opfer habe schlicht und einfach wegen ein paar hundert Franken und einem Laptop sterben müssen. Dies sei besonders verwerflich und skrupellos. Die Tat erfülle die Merkmale eines Mordes. Auch er forderte eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils.
Das Obergericht wird sein Urteil am späten Freitagnachmittag bekannt geben.