Selenskyj: Eine Million Drohnen für Streitkräfte gebaut
Angesichts der geänderten Kriegsführung hat sich die Ukraine schnell auf die Verwendung von Drohnen als neues Kampfmittel umorientiert. Die unbemannten Fluggeräte sind nicht nur vergleichsweise einfach und schnell zu produzieren, sie können auch ohne grosses Risiko eingesetzt werden, weil Soldaten nicht ihr eigenes Leben riskieren müssen.
Aufklärungsflüge und ferngesteuerte Schnellboote
Die ukrainische Rüstungsindustrie und der Privatsektor liefern seit Monaten verstärkt Drohnen an die Front, von der einfachen Videodrohne für Aufklärungsflüge über Kampfdrohnen bis hin zur Kamikaze-Drohne mit hoher Reichweite, die gegen Ziele tief im russischen Hinterland eingesetzt werden kann. Auch ferngesteuerte See-Drohnen, mit Sprengstoff beladene Schnellboote, gehören zum ukrainischen Arsenal.
Mit der vergleichsweise neuen Waffengattung ergänzt das ukrainische Militär seine Kriegsführung mit klassischen Waffensystemen wie Artillerie, Infanterie und Kampfflugzeugen. Spezielle Drohnen-Einheiten unterstützen seit einigen Monaten die Einsätze der Truppen an der Front. Doch auch die russischen Streitkräfte setzen in ihrem Angriffskrieg in grossem Stil auf Drohnen.
Selenskyj sprach allen Beteiligten seinen Dank dafür aus, dass sie die ukrainische Armee technologisch auf dem neuesten Stand hielten. Der Dank gelte «allen ukrainischen Herstellern, dem öffentlichen Sektor und allen Partnern, die in die Produktion von Drohnen in der Ukraine investieren». Die Produktion werde weiter ausgebaut.
Die ukrainischen Streitkräfte erhalten auch Drohnen von ausländischen Partnern. So wird Litauen in den nächsten Tagen 1.000 Kampfdrohnen an die Ukraine liefern, wie das Verteidigungsministerium in Vilnius mitteilte. Die Regierung des Baltenstaats hat bei lokalen Herstellern für acht Millionen Euro mehr als 7.000 Kampfdrohnen bestellt. Davon sind gut 2.300 für die eigene Armee und knapp 5.000 für die Streitkräfte der Ukraine bestimmt. Nach der ersten Charge sollen die restlichen Flugroboter bis Ende dieses Jahres ausgeliefert werden.
Das russische Militär meldete am Abend den Einflug eines ukrainischen Drohnenschwarms in der Region Brjansk im Südwesten des Landes. Die Flugabwehr habe 16 Drohnen abgeschossen, berichtete die Staatsagentur Tass unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Nähere Angaben, etwa zum Ziel der Drohnen oder der Zahl der nicht abgeschossenen Fluggeräte, wurden nicht gemacht.
Das ukrainische Militär wiederum meldete am späten Abend den Einflug eines russischen Schwarms von Kamikaze-Drohnen, die die Stadt Cherson im Süden des Landes überquert und ihren Flug in nordwestlicher Richtung fortgesetzt hätten.
Beratungen über Nordkoreas Rolle
Bei der Sitzung der obersten Militärführung ging es nach Selenskyjs Worten um die aktuelle Lage an den Fronten und Berichte der Geheimdienste über die Absichten des russischen Militärs für den Herbst und den Winter. Erneut sei auch über den Einsatz nordkoreanischer Soldaten in den Reihen der russischen Truppen und «die tatsächliche Verwicklung Nordkoreas in den Krieg» gesprochen worden.
Derweil setzen die russischen Streitkräfte die ukrainische Armee an verschiedenen Fronten weiter schwer unter Druck. «Aktive Operationen finden jetzt auf der gesamten Länge der Frontlinie statt, aber die Kämpfe sind besonders heftig in den Richtungen Pokrowsk und Kurachowe», teilte Selenskyj auf der Plattform X mit.
Zudem stürmten russische Truppen bereits seit Tagen gegen die ukrainischen Stellungen in der westrussischen Region Kursk an. «Die Jungs halten durch und führen Gegenangriffe», berichtete der Präsident. Die ukrainische Armee war im Sommer bei einem Überraschungsangriff tief ins russische Grenzgebiet vorgedrungen.
Zuletzt liessen ukrainische Militärs durchblicken, dass die Lage an den Frontabschnitten bei Kursk schwierig geworden sei. Nach Angaben des ukrainischen Oberkommandeurs Olexander Syrskyj hat Russland inzwischen knapp 50.000 Soldaten von den Frontlinien im Süden der Ukraine abgezogen und zu Gegenangriffen nach Kursk verlegt.
Der Kommandeur der russischen Speznas-Einheit «Achmat» verbreitete unterdessen Erfolgsmeldungen. Er behauptete, es sei gelungen, knapp die Hälfte der von der Ukraine eroberten Gebiete bei Kursk wieder unter russische Kontrolle zu bringen. Weder die russischen noch die ukrainischen Angaben liessen sich unabhängig überprüfen.
Russland wettert gegen Übungsmanöver der Nato
Unterdessen läuft das jährliche Manöver der Nato zur simulierten Verteidigung des Bündnisgebiets mit Atomwaffen weiter. An der zweiwöchigen Übung «Steadfast Noon» beteiligen sich rund 2.000 Militärs von acht Luftwaffenstützpunkten. Auch mehr als 60 Flugzeuge sind Teil des Trainings - darunter moderne Kampfjets, die in Europa stationierte US-Atombomben transportieren können, sowie Langstreckenbomber, Überwachungs- und Tankflugzeuge.
Die russische Führung kritisierte das Manöver als unnötige Provokation. «Vor dem Hintergrund des heissen Krieges, der im Ukraine-Konflikt geführt wird, führen solche Übungen nur zu einer weiteren Eskalation der Spannungen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Russland hält selbst immer wieder Manöver seiner Atomstreitkräfte ab, hat sie im Konflikt um die Ukraine in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und wiederholt mit einem Einsatz der Raketen gedroht.