Hoffnung auf Waffenruhe im Libanon
Er hoffe, dass es dazu «innerhalb von Tagen» kommt, sagte der geschäftsführende Ministerpräsident im Libanon, Nadschib Mikati, dem örtlichen Fernsehsender Al-Jadeed. Eine Bestätigung der libanesischen Hisbollah-Miliz, Israels oder der USA gab es zunächst nicht. Der US-Gesandte für den Nahen Osten, Amos Hochststein, wird jedoch heute zu Gesprächen in Israel erwartet. Er habe ihn informiert, dass es dabei um eine mögliche Waffenruhe gehen werde, sagte Mikati. Auch der Nahost-Koordinator des Weissen Hauses, Brett McGurk, wird israelischen Medien zufolge dabei sein.
Krieg geht vorerst weiter
Derweil führt Israel weiter Krieg gegen die Hisbollah und die mit ihr verbündete islamistische Hamas im Gazastreifen. In der Nacht warnten im Norden Israels wieder Sirenen vor Angriffen aus der Luft, wie die israelische Armee mitteilte. Eine aus dem Libanon angeflogene Drohne sei erfolgreich abgefangen worden, eine Reihe anderer Geschosse in offenem Gelände eingeschlagen. Im Verlaufe des Mittwochs habe die Hisbollah etwa 60 Geschosse abgefeuert. Israels Armee wiederum griff Ziele im Osten des Libanons an, darunter auch in der antiken Stadt Baalbek.
Dort seien mindestens 19 Menschen getötet worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium später mit. Augenzeugen hatten berichtet, Israels Luftwaffe habe die Stadt und Dörfer in der Umgebung bombardiert. Die israelische Armee teilte mit, sie könne Angriffe auf Baalbek nicht bestätigen. Die Luftwaffe habe in der Gegend der Stadt aber unter anderem Kommandozentralen der Hisbollah bombardiert. Die Angaben liessen sich allesamt zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die rund 80.000 Bewohner Baalbeks waren am Mittwoch zur Evakuierung aufgefordert worden. Viele von ihnen seien daraufhin geflohen, berichteten Augenzeugen.
US-Regierung bemüht sich um Waffenruhe
Die Kriegslage in Nahost ist ein wichtiges Thema im US-Wahlkampf. Insbesondere am militärischen Vorgehen Israels im Gazastreifen mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung gibt es harsche Kritik - und damit verbunden an der Unterstützung Washingtons für die Regierung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden ist daran gelegen, vor dem Wahltag am 5. November einen Erfolg im Ringen um Vereinbarungen über eine Waffenruhe im Nahen Osten vermelden zu können. Seiner Parteikollegin und Vizepräsidentin Kamala Harris könnte dies wertvolle Stimmen einbringen und womöglich gar zum Sieg verhelfen. Israels Feinde wiederum müssen befürchten, dass mit Donald Trump ein Präsident ins Weisse Haus einzieht, der der Regierung Netanjahu in der Vergangenheit sehr wohlgesonnen war.
Befragt nach der Möglichkeit einer Waffenruhe im Libanon in den nächsten ein bis zwei Wochen sagte eine Sprecherin des Weissen Hauses, man werde sich weiterhin für eine diplomatische Lösung einsetzen, damit die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten der Landesgrenze in ihre Häuser zurückkehren könne. Es werde aber niemand Verhandlungen in der Öffentlichkeit führen oder darüber informieren, wo man sich gerade in den Gesprächen befinde.
Libanons Regierung: Wir sind bereit
Bedingungen für eine Waffenruhe seien die Umsetzung der UN-Resolution 1701, die Stationierung der libanesischen Armee im Süden des Libanons und die Konsolidierung ihrer Präsenz in dem Grenzgebiet, sagte Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Mikati dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira zufolge. Details aus einem angeblichen US-Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Waffenruhe, über den mehrere israelische Medien am Abend übereinstimmend berichteten, lasen sich ähnlich. Die UN-Resolution 1701 sieht vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss zurückzieht - etwa 30 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt.
Der kolportierte US-Vorschlag soll vorsehen, dass Israels Soldaten den Libanon nach Ende der Feindseligkeiten innerhalb von sieben Tagen verlassen, wie etwa der Fernsehsender Kan 11 berichtete. Stattdessen sollen insgesamt 10.000 Soldaten der regulären libanesischen Armee innerhalb der ersten 60 Tage nach Unterzeichnung des Abkommens an der Grenze zu Israel stationiert werden. Der Entwurf sehe ausserdem vor, dass Libanons Regierung sämtliche Waffenverkäufe an das Land sowie die Waffenproduktion überwacht. Israel und der Libanon sollen nach 60 Tagen zudem Verhandlungen über die vollständige Umsetzung der UN-Resolution 1701 führen.
Die USA und weitere Länder wie etwa Deutschland sollen die Umsetzung des Abkommens überwachen. Berichten zufolge wurde der Entwurf, der vom US-Gesandten Amos Hochstein stammen soll, der Führung in Israel vorgelegt. Hochstein bemüht sich schon seit Monaten um eine Waffenruhe.
Hisbollah-Generalsekretär: Konflikte hängen zusammen
Der neue Hisbollah-Generalsekretär Naim Kassim sprach in einer Rede erneut davon, dass die Konflikte der Hamas und Hisbollah mit Israel zusammenhingen. Zuvor hatte die Hisbollah auch erklärt, einer Waffenruhe erst bei einer entsprechenden Einigung in Gaza zuzustimmen. Die Schiiten-Miliz agierte im Libanon seit Jahrzehnten wie ein Staat im Staate und wird wie die Hamas vom Iran unterstützt.
Hochstein hatte bei seinem Besuch im Libanon vergangene Woche gesagt, er wolle den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah von anderen Konflikten entkoppeln. «Es lag und liegt nicht im Interesse der Libanesen, die Zukunft des Libanon mit anderen Konflikten in der Region zu verknüpfen», sagte er nach einem Treffen mit dem Parlamentsvorsitzenden Nabih Berri, der als Verbündeter der Hisbollah gilt. Berri sagte, Hochsteins Besuch sei vor der US-Präsidentenwahl kommende Woche «die letzte Chance (...), zu einer Lösung zu kommen».
Saudi-Arabien hat unterdessen Vertreter von mehr als 50 arabischen und weiteren islamischen Staaten zu einem weiteren Gipfel zum Krieg im Nahen Osten eingeladen. Bei dem Spitzentreffen am 11. November in Riad solle es um die «sündhafte israelische Aggression gegen die besetzten Palästinensergebiete und deren Erweiterung auf den Libanon» gehen, berichtete die Staatsagentur SPA. Der Gipfel schliesst an ein ähnliches Treffen ein Jahr zuvor in Riad an. Dabei wurde ein mit verschiedenen Ministern besetztes Komitee ins Leben gerufen, um auf ein Ende des Gazakriegs hinzuwirken - viel wurde aus dieser Initiative bisher allerdings nicht.