Gericht Andelfingen ZH muss über «Haussklavinnen»-Fall entscheiden
Unter Tränen erzählte das erste der zwei Opfer von seinen knapp 10 Monaten beim 46-jährigen Schweizer und seiner Ehefrau von den Philippinen. Das Ehepaar habe sie täglich in einen kleinen Käfig gesperrt, gefesselt und mit Ketten angebunden, sagte sie.
Während Stunden haben sie das Haus geputzt, sechs Tage die Woche für einen Monatslohn von 800 Franken. Um 15 Uhr musste die «Sklavin» jeweils wieder zurück in den Käfig, um Hotelfach-Stoff zu lernen. Alle zwei Wochen führte der «Hausherr» eine Prüfung durch. Machte sie Fehler, gab es eine Strafe, etwa das Fesseln der Hände auf den Rücken oder das Tragen von engen Handschuhen.
Für die Nacht in den Käfig gesperrt
Hatte sie für das Paar am Abend fertig gekocht und aufgeräumt, wurde sie für die Nacht wieder gefesselt und eingesperrt. Irgendwann legte sich die junge Frau die Fesseln eigenhändig an. Ihr sei gesagt worden, dass der Käfig und die Fesseln «eine Bedingung der Hotelfach-Schule» seien. Nur so erhalte sie Abschluss und Visum.
Sie habe schon Zweifel gehabt und das Paar immer wieder gefragt, weshalb sie in einen Käfig eingesperrt werde. «So etwas ist doch keine Schule.» Sie habe auch das Gefühl gehabt, dass die Ehefrau unter dem Einfluss des Ehemannes gestanden habe.
Behandelt «wie ein Tier»
Das zweite Opfer, das etwas älter ist, und vier Monate im Haus lebte, erzählte davon, dass das Paar «sie behandelt hat wie ein Tier». Gefesselt wurde sie aber «nur» zwei Mal, beide Male, weil sie angeblich etwas falsch machte. Der Richter äusserte sein Unverständnis darüber, weshalb sie dennoch dort geblieben sei.
Die Frau begründete dies damit, dass sie in einem religiösen Umfeld aufgewachsen sei und immer habe gehorchen müssen. «Als ich das Stellenangebot sah, war das für mich eine Chance wegzukommen und zu studieren.» Und sie habe tatsächlich viele deutsche Wörter gelernt.
«Ich habe ausserdem niemanden in der Schweiz gekannt und hätte mich geschämt, zurück zu meinen Eltern zu gehen.» Heute denke sie auch anders darüber. Erstaunlich ist, dass Gäste offenbar vom Käfig wussten. Wer zu Besuch gekommen sei, habe ihn gesehen. «Die Leute wussten, dass ich eingesperrt wurde», beteuerte sie. Weshalb niemand etwas unternahm, bleib beim Prozess unbeantwortet.
«Alle denken, ich hätte es merken müssen»
Die ebenfalls beschuldigte Ehefrau beteuerte, dass ihr Mann - gemäss Gutachten ein Narzisst - sie manipuliert habe. Sie habe wirklich selber gedacht, dass der Käfig zur Ausbildung der Angestellten gehöre. «Alle denken jetzt, dass ich es hätte merken müssen und dass ich blöd sei.»
Damals sei sie jedoch neu in der Schweiz gewesen. Sie sei von ihm nicht nur finanziell abhängig gewesen, sondern auch mental. «Ich habe meinem Mann vertraut.» Die Staatsanwaltschaft verlangt für sie wegen mehrfacher Gehilfenschaft zur Freiheitsberaubung eine bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten und einen Landesverweis von 5 Jahren.
«Ich habe ihre Naivität ausgenutzt»
Der 46-jährige Ehemann, der mit den zwei nacheinander angestellten «Haussklavinnen» seine ausgeprägte Neigung zur Dominanz auslebte, räumte ein, dass er seine Ehefrau manipuliert habe. «Ich habe ihre Naivität ausgenutzt.» Sie sei nicht Teil des «Settings» gewesen. «Als die erste Frau ankam, war sie überrascht.»
Der Schweizer gab in der Befragung alles zu. Die Anklage klinge aber arg zugespitzt, «wie Sodom und Gomorrha». Er habe aber keineswegs ein «Nazi-Regime» aufgebaut. «Wir haben zusammen gelebt.» Da sei nicht geschrien oder geweint worden. Von Zwang könne keine Rede sein. Er habe den Käfig geöffnet, wenn die Frauen das verlangt hätten.
Der Schweizer ist unter anderem wegen Menschenhandels und Freiheitsberaubung angeklagt. Weil er geständig ist, wird der Prozess im abgekürzten Verfahren geführt.
Erhebt das Gericht den Vorschlag der Staatsanwaltschaft zum Urteil, erhält der Mann eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten, wobei er 9 Monate absitzen soll. Davon verbüsste er bereits fünf Monate in in U-Haft. Es kann aber auch sein, dass das Bezirksgericht bei der Urteilseröffnung am Mittwoch den ganzen Fall zurück an die Staatsanwaltschaft schickt.