Anwälte anerkennen Todesangst der Tochter bei Schüssen in Zürich
Am Morgen des 24. September 2020 vernahm die damals 18-jährige Gymnasiastin aus dem Schlafzimmer der Eltern einen Streit. Weil sie die Gewalttätigkeit des Vaters kannte, habe sie Angst gehabt um die Mutter, sagte sie in der Befragung. Als sie hinüber gegangen sei, habe sie gesehen, dass der Vater auf die Mutter schoss und nun Anstalten machte, sie zu würgen.
In ihrer Angst stiess sie den Vater von der Mutter weg. Er kippte aufs Bett, erhob sich aber wieder und drohte wutentbrannt, er werde sie alle umbringen. Da habe sie die Pistole gepackt. Sie schoss viermal und traf in Oberkörper und Kopf des grossen, kräftigen, durchtrainierten Mannes. Er starb noch am Tatort.
«Keine andere Möglichkeit»
Die Tochter verband den verletzten Arm der Mutter mit einem T-Shirt, dann alarmierte sie den Notruf. Sie gestand die Schüsse von Anfang an. Sie habe keine andere Möglichkeit gesehen, um den Vater zu stoppen. «Falls ich nicht geschossen hätte, wäre meine Mutter jetzt sicher nicht mehr da», sagte sie vor Gericht.
Der Verteidiger sah klar eine Notwehrsituation gegeben. Die Schweizerin sei freizusprechen. Anders der Staatsanwalt: Als der Mann unbewaffnet auf dem Bett lag, habe er keine Gefahr mehr dargestellt, eine Notwehrsituation habe damit nicht vorgelegen. Er machte vorsätzliche Tötung geltend und forderte die gesetzliche Minimalstrafe von fünf Jahren.
Die Schüsse beendeten eine eigentliche Familienhölle. «Nach westlicher Auffassung» habe der Vater «ein sehr altertümliches Familienbild» gehabt, sagte der Staatsanwalt. Er habe sich als unangefochtenen Chef der Familie gesehen. Schon bei geringsten Widerworten von Frau, Sohn oder Tochter soll er Gewalt angewendet und Todesdrohungen ausgestossen haben.